WORLD SOUNDSCAPE PROJECT
SOUND REFERENCES IN LITERATURE

503.

Überall sinkt die Nacht, das Schiessen hat aufgehört. In der Stille stehen die Sterne grösser als bei uns, und mir unbekannt am Himmel. Eine Knabenstimme singt rein und schön vor dem Zelteingang aus dem Koran, und wir sammeln etwas Geld...

Hans Ganz, Marokkanisches Tagebuch eines Malers, from Atlantis, Bibliographisches Institut A.G. Leipzig, Atlantis Verlag Zurich, Heft 10, Oktober 1932, p. 623.

PLACE: The holy city Moulay Idris, Morocco.

TIME: ca. 1930

CIRCUMSTANCE: At night after the day of the festival, a boy sings from the Koran.

TRANSLATION

The night falls everywhere, the shooting has ceased. In this silence the stars seem to be larger in those skies than at home, and are unknown to me. In front of the tent entrance a boy is singing from the Koran with his pure and beautiful voice, and we collect some money.

 

504.

Zwei Leute setzen ihre Violinen auf die Unterschenkel und führen den Bogen wie beim Violoncello. Mehrere Tamburine und Handpauken werden an den Rändern mit den Fingern geschlagen. Die Schirah beginnt mit Kopfstimme ihr aufreizendes Tongeschäft. Ich habe in einer stummen Verzweiflung die fünfzigfache Wiederholung einer viertaktigen Phrase gezählt, wobei zwei Varianten von Vierteltönen sich einwoben. Der Effekt auf den Eingeborenen ist ein rein sexueller, auf uns eine wütende Ermüdung. Im Tanze selbst bewegt sie aufrecht rollend den Bauch und lässt sich zu tief ausschreitenden Komplimenten nieder. Ähnlich tanzt nun ein etwa zehnjähriger Junge, nur dass seine näselnde Stimme sich in auf- und niederkollernden spitzen Tönen vor Forcieren häufig überschlägt. Ich habe nirgends in der Welt so unter Musik gelitten wie hier, denn auch das gleitende seifige Spiel der Geigen ist bald eine endlose Qual. Aber für den Araber ist diese absurde Wiederholung scheinbar ein unentwegter Reiz. Ein sublimes Zeichen seiner primitiven Sensibilität überhaupt. Nirgends habe ich den Ansatz einer Kunst aus eigenem Antrieb gesehen. Hier schläft man etwa seit dem Jahre 1600, da die letzten Mauren von Spanien zurückkamen. In den Pausen kreischt die Masse der Grammophone aus der Zeltstadt, aber nur arabische Musik.

In ganz Marokko hörte ich von Einwohnern keine einzige europäische Platte, und doch trifft man kaum einen Kramladen, wo nicht irgendeine Nadel kreist und krächzt. -

Die Tanzmusik verdoppelt ihr Tempo, die Gesichter glühen, die Augen sprühen, und wie die Schirah vor den Kaid sinkt, der sie mit leckenden Lippen ins volle Haar fasst, springt die Engländerin wie vom Skorpion gestochen auf, zwingt uns alle zum Aufbruch...

...Im Dunkel stolpern wir über die Zeltschnüre. Meine Nerven sind massiert, aber nicht erfreut worden.

Hans Ganz, Marokkanisches Tagebuch eines Malers, from Atlantis, Bibliographisches Institut A.G. Leipzig, Atlantis Verlag Zurich, Heft 10, Oktober 1932, p. 623-624.

PLACE: The holy city Moulay Idris, Morocco.

TIME: ca. 1930

CIRCUMSTANCE: The end of the day of the festival. Musicians and a female singer entertain the dinner guests of a rich Arab.


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